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Baulicher Zustand und Baupflege am Münster


 

1727: Dachreparatur unnütz, da „es nichtes mehr tauget“

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Thematisierten kürzlich gemeinsam mit der Münsterverwaltung die Befunde vor Ort und die Ergebnisse der Aktenrecherche: Restaurator Peter Wagner (Grubenow), Prof. Dr. Constanze Messal (Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim – Fakultät Bauen und Erhalten), Dipl.-Ing. Frank Thoms (BTZ-Ingenieurbüro Rostock).

Im Kontext der derzeitigen Sanierungsarbeiten an den Deckengewölben lohnt der Blick in die historischen Bauakten. Sie zeugen vom damals mitunter dramatischen Zustand der Bausubstanz und erklären die heutigen Funde.

Zu den Archivalien gehört die Aktensammlung des Domanialamtes Doberan im Landeshauptarchiv Schwerin. Die Akte Nr. 2043 beinhaltet ein Schreiben vom 18.03.1727. Der Kammer-Registrator Johann Georg Havemann wandte sich nach einer gemeinsamen Besichtigung der Schäden mit dem Hofzimmermeister Gräpken und dem Maurermeister Wolditz an Herzog Karl Leopold. Er wiederholte die erheblichen Mängel am Kirchengebäude, die nicht alle innerhalb eines Jahres zu beheben seien.

Genannt wurden u. a. mit Schutt und Unrat belastete Deckengewölbe, Risse in den Gewölben, schadhafte Dächer und Rinnen, gerissene Strebebögen und zahlreiche schadhafte Fenster. Die Mängel seinen „sehr viele, und zum theil sehr gefährlich, und daher der Verschlagk von Materialien und Kosten ziemlich hoch anlauffet (…)“. Es wurde gar der Einsturz („dreuenden Einfall“) befürchtet.“

 

Die vielen Risse in den Deckengewölben („Längst der Kirchen“) sollten von oben mit Kalkmörtel vergossen und von unten verpresst werden. Mit einem fahrbaren Korb sollten die Arbeiter deren Unterseite erreichen. Die Gewölbe waren so schadhaft, dass bereits Kalk und Steingnuß durch die Risse auf die fürstliche Loge (Fürstenchor) gefallen waren. Die undichten Dächer drohten die Gewölbe durchweichen und einstürzen zu lassen. Dies betraf sowohl die mit Dachsteinen als auch die mit Blei und Holzspöhnen eingedeckten Dächer.

 

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Erneut thematisierte man die gerissenen bzw. eingestürzten Strebebögen unter den Seitenschiffdächern. Von Anfang an zu flach konstruiert, schoben sie die Außenwände zunehmend nach außen. Man hielt es weiterhin für notwendig, diese abzustützen. Der (weitere) Rückbau wird hier nicht thematisiert. Besorgniserregend war auch der Zustand des Dachtragwerks über dem Langhaus nach Westen. Drei Kehlbalken waren zerbrochen, so dass die Sparren durchhingen und man den Einsturz des Dachs bei Sturm befürchtete. Die undichten, z. T. durch Sturm eingestürzten Fenster gefährdeten durch eindringende Feuchtigkeit die Innenausstattung, so den Fürstenchor und die fürstlichen Gemälde. Die Kirchenbesucher saßen im Feuchten.

Havemann priorisierte aufgrund des großen Schadensumfangs die Maßnahmenliste. Nach dem Dringlichsten seien im Herbst bzw. dem darauffolgenden Sommer das Spohndach über dem Hohen Chor dran. Eine Reparatur sei unnütz, da „es nichtes mehr tauget.“, stattdessen sei eine vollständige Umdeckung erforderlich. Ein durchgebrochener und bereits reparierter Balken in der Vierung war erneut gerissen. Eine Instandsetzung mit einem eisernen Bolzen und Ring war vorgesehen.

Man bestätigte die herzogliche Anordnung zur Freigabe des Holzes, den Brand der Ziegelsteine in Althof und unterbereitete Vorschläge zur Finanzierung.

 

um 1727: Die „größesten“ Risse im Gewölbe „auß zu beßern“

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Auch laut einem anderem Aktenblatt, einem undatierten, wohl um 1727 entstandenen Extrakt, bestand weiterhin umfänglicher Instandhaltungsbedarf.

Er betrifft u. a. Arbeiten an den Dächern, dem Dachwerk - in dem u. a. zehn Balken zerbrochen waren – den Fenstern und gerissenen Deckengewölben. Die hölzernen Dachrinnen waren verformt („verolmet“). Tannenbretter benötigte man als Schalung zum Aufnageln der Dachspöhne. Zur Herstellung von 30.000 Eichen-Dachspöhnen gehörte das Zurechthauen und Kochen.

Der Zimmer- und der Maurermeister waren statt Festpreisen nur zur Abrechnung auf Tageslohnbasis bereit. Die Gefahr unerkannter Mängel machte die erste Variante finanziell unattraktiv. Aufgeführt sind auch Kosten zur Erstellung des o. g. Gutachtens, wie Reisekosten nach Doberan.

Um das Angebot nicht zu hoch erscheinen zu lassen, hatten die Meister nicht alle erforderlichen Positionen kalkuliert: „Der Zimmer-Meister will seine Ar- / beit nicht verdingen, sondern für / Tag-Lohn arbeiten. / Deßgleichen will der Maurer, für das / gerißene Gewölbe zu zwicken, und die / größesten Lecken auß zu beßern, nicht / anders, alß in Tage-Lohn arbeiten.“ Daher mussten nicht berücksichtigte Leistungen aus vorherigen Angeboten diesem Extrakt hinzugefügt werden.

 

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Foto: waren kürzlich interessiert und begeistert vor Ort: Prof. Dr. Barbara Beckett und Studentinnen der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim – Fakultät Bauen und Erhalten

Aufgrund der vielen Schäden am Dach waren zunächst nur die „größesten Lecken“ zu beseitigen. Die Südseite des Chordachs war besonders schadhaft. Vor der Risssanierung am Gewölbe wurde die Reinigung derselben durch zwei bis drei Handlanger („Kerls“) an acht Tagen veranschlagt. Zwei Tonnen Segeberger Kalk, zwei Last Kalk und Sand benötigte man für die Instandsetzung der Gewölbe.


 Martin Heider

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