Münster-Restaurierungen auf Eis gelegt?
Die OSTSEE−ZEITUNG Bad Doberan berichtete am 16. September 2020: Weniger Touristen, weniger Führungen: Die geringeren Besucherzahlen haben Folgen.
Von Henrietta Hartl
Bad Doberan. Eine Schlange wartender Touristen steht vor dem Eingang an, im Inneren des Münsters wandern Dutzende bewundernd und fotografierend umher. „Individualtouristen kommen schon wieder recht viele“, sagt Martin Heider, der Kustos des Doberaner Münsters. Die Besucherzahl hänge immer etwas von Wetter und Tageszeit ab, doch es kämen nun wieder mehrere hundert Gäste pro Tag.
Immer noch deutlich niedriger als in anderen Jahren liegen jedoch die Zahlen einer wichtigen Besuchergruppe, nämlich der Bustouristen. Nachdem diese lange Zeit überhaupt nicht kommen durften, sind jetzt die Busse wegen der Corona-Vorschriften viel dünner besetzt.
Potenzielle Busreisende gehörten auch oft zur Risikogruppe und zögerten daher noch mit ihren Buchungen, hat der Münster-Kustos erfahren. Auch der totale Ausfall der Kreuzfahrtpassagiere schmerze, da diese sonst immer als Doberaner Wahrzeichen Molli und Münster auf dem Besichtigungsplan hatten.
Für das Führungsprogramm rund ums Münster hatte und hat dies alles einschneidende Folgen. Monatelang waren die Führungen komplett ausgesetzt, die in normalen Jahren Dutzende Male jede Woche stattfinden. Seit einiger Zeit gibt es in besonderen Fällen auf Anfrage wieder Führungen für Gruppen. Was vorerst bis zum Jahresende weiter pausieren muss, sind die beliebten Gewölbeführungen.
Das bedauert Heider, doch die Platzverhältnisse dort oben seien so beschränkt, dass eine Durchführung unter Beachtung der Corona-Abstände einfach nicht sinnvoll machbar sei.
Auch für die früher frei umherwandernden Individualtouristen hat sich einiges geändert. Sie werden gebeten, sich an einen Rundgang zu halten, der durch Pfeile auf dem Boden markiert ist. Der Verlauf dieses Rundgangs wurde eigens für die Besichtigung unter Corona-Bedingungen entwickelt. Das soll verhindern, dass sich die Wege von Besuchern öfter kreuzen, so werden die Begegnungen auf ein Minimum reduziert.
Ab Anfang Oktober wird es auch wieder öffentliche Führungen geben, allerdings zunächst in geringerem Umfang. Auch die Führung donnerstags mit einer halben Stunde innen und einer halben Stunde außen soll wieder stattfinden. Neu ist hier, dass diese Führung in Zukunft einen etwa zehnminütigen Auftakt mit Orgelmusik bekommt.
Es gebe einen Pool von rund 30 Münster-Führern, erklärt Heider. Manche von ihnen machen nur hin und wieder einmal eine Führung, andere führten vor Corona viele Besuchergruppen auf einer der regulären oder Sonder-Führungen.
Der geringeren Nachfrage jetzt stehen auch Bedenken einiger der Führer entgegen, die selbst zur Risikogruppe gehören und sich zur Zeit nicht mit großen Besuchergruppen treffen möchten.
Normalerweise führt der Kustos einmal im Monat eine Schulung für diese Führer durch, doch das musste in der Corona-Zeit vorerst ausgesetzt werden. Heider freut sich jedoch, dass es auch zwei oder drei Kandidaten gibt, die in nächster Zeit neu als Führer einsteigen wollen: „Das ist ein schönes Zeichen, wir wollen ja in die Zukunft schauen.“
Es sei leider abzusehen, so Heider, dass die Besucheranzahl dieses Jahr gut ein Drittel unter dem üblichen Wert liegen werde. Die damit verbundenen Einnahme-Einbußen haben natürlich Folgen für die Finanzen des Münsters, dessen Haushalt sich selbst tragen muss.
Bei der nun am 22. September stattfindenden Münsterbaukonferenz werden die Verantwortlichen diskutieren müssen, wie angesichts der angespannten Kassenlage mit den anstehenden Restaurierungen umgegangen wird.
Es könnte sein, dass geplante große Projekte wie die Gewölbesanierung erst mal auf Eis gelegt werden müssten. Was der Kustos besonders schade findet, sind Fälle, bei denen es schon eine Absichtserklärung für Fördermittel gibt – die aber nur gilt, wenn entsprechend auch Eigenmittel eingesetzt werden, die zur Zeit nicht verfügbar sind.
Doch Heider blickt nach vorn – ein Bauwerk wie das Münster erfordere langfristiges Denken: „Wir planen ja nicht nur für ein oder zwei Jahre, sondern auch für die nächsten Jahrzehnte.“
Kustos Martin Heider forscht in alten Handschriften zur Baugeschichte des Münsters und hat im Januar auch ein aktuelles Buch veröffentlicht:
„Das Doberaner Münster: Bau, Geschichte, Kontext.“
Er hat festgestellt: „Von Kriegen bis zu Seuchen, es hat durch die Jahrhunderte immer wieder schwere Zeiten für das Münster gegeben.“ Während des Dreißigjährigen Krieges beispielsweise habe das Dach gefehlt, Nebengebäude verfielen oder wurden abgetragen. Doch es sei immer weitergegangen, und so ist er trotz weiterhin vieler Unsicherheiten optimistisch, dass das Münster auch diese Seuche des 21. Jahrhunderts erfolgreich überstehen wird.
Fotos. Die umfänglichen Restaurierungsarbeiten in den letzten 20 Jahren waren insbesondere dadurch möglich, weil viele Gäste des Doberaner Münsters über den Besichtigungsfonds und Spenden deutlich zur Aufbringung der Eigenmittel beitrugen. Ohne ausreichend Eigenmittel ist die Bewilligung von Fördergeldern nicht möglich.
Spendenkonto Restaurierung Münster
IBAN: DE38 5206 0410 0505 3501 15
BIC: GENODEF1EK1
Informationen zur Restaurierung auch hier auf der Webseite.