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Tierdarstellungen in der Adolf-Friedrich-Loggia (Teil 2)


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Von Dipl.-Biologin Ina Sakowski – Ab Teil 2 dieser Folge wird versucht, die Tierabbildungen naturwissenschaftlich ein- bzw. zuzuordnen.


Grundsätzlich sind alle Tier- (und Pflanzen-) Reliefs der Loggia als künstlerische Darstellungen zu werten, die in vielen Fällen eine christliche, z.T. eine weltliche Symbolik repräsentieren sollen. So gilt z.B. der Hase als Fruchtbarkeits- und Auferstehungssymbol, die Schlange als Hinweis auf Verführung und Sünde, der Hund als Symbol für Treue und Frömmigkeit, der Hirsch mit seinem sich jährlich erneuernden Geweih als Zeichen für Wachstum/ Erneuerung, der „gefährliche“ Bär als Hinweis auf Todsünde und den Teufel; das Einhorn steht für Stärke sowie Reinheit und die Muscheln sind ein Hinweis auf die Auferstehung.

Der gesamte „Jagdbogen“ (Arkade Nr. 3) stellt nicht nur viele zoologisch eindeutig zuordenbare Spezies dar, sondern die Jagd an sich steht für den (weltlichen) Regenten/ den Herrscher. Das verdeutlich auch die Anordnung dieses Bogens, direkt hinter dem Standbild von Adolf Friedrich (Abb. 1) und nicht links oder rechts von ihm.

Im Weiteren werden die gehäuft auf den Arkadenbögen zwei und drei sowie auf den darunter befindlichen jeweiligen Säulenbasen abgebildeten Tierdarstellungen beschrieben (von links nach rechts bzw. oben nach unten). Jeder Bogen besteht aus 2x10 Feldern, in denen die einzelnen Reliefs ausgeführt wurden. Jede Bogenbasis fußt auf jeweils 2x2 angeordneten Darstellungen. Die Größe der mit einem dünnen Goldrand eingefassten Einzelrelief/-darstellungen beträgt durchschnittlich 11x13,5 cm.

Der ganz links angeordnete erste Bogen weist verschiedene Blumen-Ornamente und -Symbole auf, wie z.B. eine (weiße) Nelke als Zeichen der Trauer und eine Lilie als Symbol für Reinheit und Unschuld. Außerdem wurden vier symbolträchtige Tiere abgebildet: Pelikan oder Reiher (mit Aal oder Schlange im Schnabel), Hahn oder Phönix, Ziegenbock sowie Birkhahn mit Hufeisen im Schnabel und deutlich erkennbarer „roter Rose“ über dem Auge.

Die linke Bogenbasis zeigt in ihren vier Feldern die Wappentiere bzw. -abbildungen von vier weltlichen Herrschaftsbereichen auf: den schwarzen Stierkopf mit aufgerissenem Maul für das Herzogtum Mecklenburg, den schreitenden goldenen Greif für die Herrschaft Rostock, den schräg liegenden Stierkopf für die Herrschaft Werle und den silbernen weiblichen Arm mit goldenem Ring für den Landesteil Burg Stargard. Es sind also die Insignien der weltlichen Herrschaft des Mecklenburger Herzogs Adolf Friedrich (Abb. 3).

Die rechte Bogenbasis stellt vier Blüten-Ornamente dar. Mit Fantasie kann man auch die „sich in den Schwanz beißende Schlange“ als Symbol der Ewigkeit erkennen.

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Der „Gliedertier-Bogen“ überwölbt die zweite Fensternische von links. Er bildet acht verschiedene Wirbellose der zu den Gliedertieren gehörenden Gruppe der Insekten (6 Beine), der Krebse (10 Beine) und der Spinnen (8 Beine) sowie zehn Blüten-/ Pflanzenornamente (als Aufsicht) und zweimal einen traubenfressenden Vogel ab. Der Bogen fußt auf je 2x4 Blüten-Ornamenten bzw. -Symbolen (Abb. 2).

Das in der oberen Reihe als 2.v.l. und 2.v.r. dargestellte Relief je eines, an einem Rebstock Trauben fressenden, Vogels stellt ein uraltes christliches Symbol dar. Fachlich gesehen fressen nur wenige heimische Vögel Weintrauben, so z.B. der Star. Sein bläulich-silbern schimmerndes Deckgefieder könnte auf dem 2.v.l. Vogelrelief mit Blattgold angedeutet sein. Der andere Singvogel (2.v.r.) sitzt auf einem Zweig, der an eine mit geöffnetem Maul dargestellte Schlange erinnert und kann nicht eindeutig determiniert werden. Trauben fressende heimische Vögel sind auch Amseln und Drosseln, gelegentlich auch Sperlinge.

An Stelle 3.vl. und 3.v.r. wurde je ein Dekapode („Zehnfüßer“) dargestellt, deutlich erkennbar an dem langgestreckten, gut abgegrenzten Hinterleib, den 5 Beinpaaren sowie zwei Fühlern. Lediglich die an den zwei vorderen Beinpaaren dargestellten Scheren sind in natura wesentlicher größer ausgebildet. Beim rechts am oberen Bogen dargestellten Tier könnte es sich um den im 17. Jahrhundert in MV und anderorts häufig vorkommenden und regelmäßig verzehrten Europäischen Fluss- bzw. Edelkrebs handeln. Heutzutage ist diese Spezies europäisch streng geschützt sowie deutschlandweit stark gefährdet. Seit dem 19. Jahrhundert verdrängen ihn amerikanische Krebsarten aus seinen angestammten Habitaten; Krankheitserreger und mangelnde Wasserqualität tun ein Weiteres.

Die zwei mittig im oberen Bogen dargestellten Insekten stellen zwei verschiedene Käferarten dar, von denen mind. eine Spezies – die rechte, feingliedrige - ein sog. Kurzflügelkäfer sein könnte. Typisch sind die deutlich verkürzten Flügeldecken und der dadurch in Teilen ungeschützte Hinterleib. In Deutschland kommen aktuell mehr als 1.500 Arten dieser überwiegend räuberisch lebenden Käfer vor. Sie besiedeln alle terrestrischen und semiaquatischen Lebensräume.

Der zweite Käfer erinnert mit seinem massigen Körper und den durch Flügeldecken geschützten, kompakten Hinterleib an einen Laufkäfer. Auch er weist, wie die feingliedrige Spezies, ein parallel zum Körper gewelltes Brustschild auf. Dies ist der Fantasie des Künstlers entsprungen. Ebenso wie die anatomisch nicht korrekte Darstellung der Mundwerkzeuge des massigen Käfers, die nicht am Kopf, sondern am vorderen Brustschild ansetzen. Beide Käfer wurden in der heute noch üblichen Präparationsweise dargestellt: das vordere Beinpaar und die Fühler nach vorne gestreckt, die hinteren beiden Beinpaare nach hinten angewinkelt.

 

 

Tiere 3

In der unteren Bogenreihe wurde an den Stellen 2.v.l. und 2.v.r. je ein Spinnentier mit seinen charakteristischen zwei Körperabschnitten, den jeweils vier Beinpaaren sowie zwei Kieferklauen am Vorderkörper/ Kopf dargestellt. Die Ausrichtung der zwei vorderen Beinpaare weist auf die Gruppe der Webspinnen hin. Aktuell leben in MV ca. 600 und deutschlandweit ca. 1.000 Arten, die sich durch den Bau von selbst produzierten Netzen auszeichnen. Ist die rechte Spinne fachlich korrekt dargestellt, hat der Reliefkünstler auf der linken Bogenseite zwei Beinpaare zu viel sowie auch noch am falschen Körperteil entspringend dargestellt (Alle Laufbeine von Spinnen wachsen am Vorderleib.).

An Stelle 4.v.l. und 4.v.r. sind zwei Exemplare einer zoologisch sehr urtümlichen Insektenfamilie, der Libellen, abgebildet. Beide Exemplare, insbes. das linke mit seiner auffallend breiten Flügelbasis (wie heute rezent nicht existent), erinnern an fossile Abdrücke. Libellen existieren seit mehr als 300 Millionen Jahren mit einer bis heute weitgehend gleichen Anatomie und Flugtechnik. Im Karbon und Perm flogen riesige Exemplare mit einer Flügelspannweite bis zu 70 cm. Die 63 aktuell in MV lebenden Arten weisen Spannweiten von 2 bis 11 cm auf.

Libellen sind Raubinsekten und erhaschen ihre Nahrung im Flug. Da sie als eine der wenigen Fluginsekten jeden ihrer vier Flügel durch eine kräftige, direkte Flugmuskulatur einzeln bewegen können, vollführen sie oft beeindruckende Flugmanöver, um mit bis zu 45 km/h ihre Beutetiere im Zickzack-Kurs zu ergreifen. Sehr hilfreich dabei sind ihre großen Augen, die aus bis zu 30.000 Einzelfacetten bestehen. Bei den Kleinlibellen sitzen die Augen weit voneinander getrennt als Halbkugeln seitlich am Kopf (wie bei 4.v.l., aber Körper von Großlibelle); bei den Großlibellen stoßen sie oben in der Kopfmitte zusammen (wie 4.v.r., aber Körper einer Kleinlibelle).

Libellen besitzen annähernd gleich große Vorder- und Hinterflügel sowie sechs Beinpaare, die an der Brust entspringen. Insbesondere Kleinlibellen haben lange Beine (deutlich sichtbar an Insekt 4.v.r., aber insgesamt nur vier Beine sichtbar) und können ihre zwei Flügelpaare in Ruhestellung zusammenklappen. Bei den Großlibellen bleiben die vier Flügel auch in Ruhe waagerecht vom Körper abgespreizt (wie bei beiden Reliefs). Die komplizierte Metamorphose von Libellen u.a. Insektenarten war zur Zeit des Loggiabaus noch unbekannt. Erst die deutsche Kupferstecherin und Naturforscherin Maria Sibylla Merian publizierte Ende des 17. Jahrhunderts ihre damals Aufsehen erregenden Bildbände und Texte zu „Der Raupen wunderbare Verwandlung und sonderbare Blumennahrung“ sowie der „Metamorphosis insectorum Surinamensium“. (Fortsetzung folgt im nächsten Newsletter)


Text: Dipl. Biologin Ina Sakowski, Fotos: Ina Sakowski (Satow), Michael Berger (Rostock), Martin Heider.

 

 

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