Von Zugankern, Strebebögen und speziellem Mörtel aus Italien
Foto: Vortrag im Münster (Konstanze Heider)
Am 20. Juni 2023 fand im Münster ein Vortrag „Die Restaurierung der Deckengewölbe des Doberaner Münsters von der Frühen Neuzeit bis in die Gegenwart“ mit anschließender Ortsbegehung statt.
Dieses Mal hatten der Verein der Freunde und Förderer des Klosters Doberan und der Münsterbauverein gemeinsam eingeladen. Für beide Vereine begrüßte Gunter Heilemann aus dem Vorstand des Klostervereins die zahlreich erschienenen Besucherinnen und Besucher. Die beiden Referenten, Kustos Martin Heider und Restaurator Peter Wagner, wechselten sich mit ihren Ausführungen zu bauhistorischen Befunden und neuen Erkenntnissen aus den Archivalien ab.
Am Beginn stand eine Liste der möglichen Gefährdungen der Bausubstanz wie: Lage des Baus, Fehler hinsichtlich von Planung und Konstruktion bei der Errichtung, mechanische Schäden, Schäden durch Kriege. Die Lage des Münsters auf einer späteiszeitlichen Spülinsel inmitten einer Sumpflandschaft ist durchaus geeignet für einen Großbau dieser Art. Etwaigen Einschränkungen wurde im Norden durch Aufschüttung einer Fundamentplatte aus Steinen und Mörtel begegnet.
Die Probleme im Gewölbe sind zum großen Teil durch Fehler in der Konstruktion bedingt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Münster Doberan der erste große gotische Backsteinbau nach dem Vorbild der französischen Hofgotik ist, der gewölbt ist. Es handelte sich also um einen Experimentalbau.
Das Strebesystem des Doberaner Baus zeigt Unsicherheiten und konstruktive Mängel. Die Strebebögen wurden nicht außen über, sondern unten Seitenschiffdächern eingebaut, durch die Art
ihrer Konstruktion einsturzgefährdet und ungeeignet, den Horizontalschub des Gewölbes aufzufangen. Schon zur Bauzeit wurde durch den Einbau von Zugankern ein ergänzendes Tragesystem geschaffen.
Aus dem Mittelalter gibt es keine Dokumente oder Nachrichten über Bauschäden, man kann aber annehmen, dass das Schadensbild aufgrund der konstruktiven Mängel sehr früh eingesetzt hat und der Abbruch der Klausur das Problem nur verstärkte. Bereits im Jahr 1549, drei Jahre vor der Auflösung des Klosters, wird von Schäden berichtet, die der Konvent nicht mehr imstande war zu reparieren. 1578 kam der Befehl zur Instandsetzung der Kirche. Dazu heißt es wenig später im Rückblick: „es hub an allen Orten an zu krachen“.
Dach nur provisorisch mit Holzschindeln und zum Teil mit Holzbrettern gedeckt
Unter Herzog Adolf Friedrich wird 1637 erstmals explizit von einer Ausbesserung der Strebebögen berichtet, ähnlich im 18. Jahrhundert. Die Fehler in der Konstruktion hinsichtlich der Strebebögen konnten erst durch den fachgerechten Einbau von zusätzlichen Zugankern und die Verstärkung bzw. den Neubau von Strebepfeilern behoben werden. Das Einsetzen von eisernen Keilen zur Stabilisierung der Gewölbe hat durch Rosten der Keile später weitere Schäden verursacht.
Der Restaurator Peter Wagner zeigte Fotos der aktuellen Schadenslage. Ein spezieller Mörtel aus Italien wird bei der gegenwärtigen Restaurierungsmaßnahme in die Risse im Mauerwerk des Gewölbes gegossen, um die nötige Stabilität zu gewährleisten.
Die Ereignisse des 30jährigen Krieges haben das Münster schwer geschädigt. Nachdem die Bedeckung des Daches und des Turms durch schwedische Truppen abgerissen worden war, drohte das Deckengewölbe herabzustürzen.
Das Dach wurde nur provisorisch mit Holzschindeln und zum Teil mit Holzbrettern gedeckt und an einigen Stelle undicht. Hinzu kam, dass die Fenster zerstört worden waren. Feuchtigkeit konnte in den Innenraum eindringen. 1639 fiel die Turmspitze herab.
Martin Heider konnte aus unterschiedlichen Epochen Archivalien zeigen, die sich mit den Mängeln befassen, dazu auch Listen von verwendeten Baumaterialien und Zahlungen an Handwerker.
Ergänzt wurde dies durch alte Ansichten des Münsters, die es in seiner früheren Gestalt zeigen, so auch mit der provisorischen Eindeckung des Dachs. Die Ergebnisse der Recherchen aus den Archiven sollen zusammengestellt und in einer Buchveröffentlichung zugänglich gemacht werden.
Den beiden Referenten sowie Frau Wagner, die die Arbeiten gemeinsam mit ihrem Mann durchführt, wurde mit Beifall gedankt. Wer schwindelfrei war, kletterte noch auf das Baugerüst in die lichte Höhe und konnte sich vor Ort ein Bild von der Arbeit der Restauratoren machen und Antwort auf offen gebliebene Fragen erhalten.
Petra Wallmann